THE FRACTURED DIMENSION – Towards the mysterium CD

15,50

Ich dachte immer, Ron Jarzombek wäre der Meister für verrückte Instrumentalalben, aber es gibt wohl noch andere. Nun, bei einem Blick auf die Gastmusikerliste sticht sein Name dennoch heraus, obschon er eigentlich nicht prägend ist. Diese Band hat es in sich, verdammt. Dominiert wird die Scheibe von dem aus Bassist, Pianist / Keyboarder und Drummer bestehenden Grundtrio, zu welchem dann die Gäste an Gitarre, Saxophon, Trompete und Geige hinzutreten. Das Preludium lassen wir mal weg, der zweite Track ist ein sehr wildes, verspieltes Stück mit einigen Hinwendungen zu klassischen und romantischen Themen der Leadgitarre, vielen dunklen, majestätischen Läufen und einigen verdrehteren Abfahrten. „Prism 1: Reflection“. Der zweite Teil mit dem Untertitel „Refraction“ folgt auf dem Fuße und ist eine dunkle, mystische Nummer, getragen von Trompete und Saxophon, die ein orientalisches, eventuell ägyptisches Flair offenbart. Darunter spielt der Bass warme, melodische Sphären, düstere Harmonien oder verrückte, aber nicht zu aufdringliche Wirbel. Hier kommt zum ersten Mal ein Jazz / Fusion Feeling auf, wie es der gute Miles Davis nicht besser hätte inszenieren können. Zum Ende hin wird es freakiger. „Fibonacci’s notebook“ nennt sich das nächste Stück Irrwitz. Herr Fibonacci war ein Mathematiker und wurde u.a. im „Da Vinci Code“ Film für ein Rätsel herangezogen. Diese Nummer an sich ist ein Zwiegespräch von Synthesizer und jazziger, aber verzerrter Leadgitarre über sanft dahinschwebenden Keyboardsphären. Ein paar wunderschöne Melodien tauchen auf, obschon die beiden Leadinstrumentalisten sich auch ordentlich duellieren. Heavy Metal ist das nicht, Progrock nurmehr am Rande. Jedoch ist es unheimlich spannend und eindringlich, es saugt Deine Seele förmlich in sich auf. „Strangeness“ heißt der fünfte Song und er ist sperrig, verdreht, mit wilden Pianoläufen und abgedrehten Gitarrensoli im weiteren Verlauf. Trotzdem können die Musiker auch anders und schaffen ein paar Momente inneren Friedens. Bei knapp drei Minuten und vierzig Sekunden Spielzeit sind das aber wirklich nur wenige Momente. Herausragend ist das Schlagzeug, welches sich nicht nur den Pianoläufen anpasst, sondern sich oft mit ihnen zu necken scheint. „The mathematics of divinity“ besteht aus einer und einer dreiviertel Minute perlender Pianoattacken in einem Sound wie von einer Grammophonplatte, inklusive Knacken, Rauschen und Knistern. Das sorgt allerdings für eine sehr geheimnisvolle Stimmung. Bei dieser Musik entstehen in der Tat Bilder im Kopf. Etwas länger ist nun „Out of the summer sky“, welches wiederum im Anfang eine dramatische, kochende Atmosphäre allein mit Bass, Schlagzeug und Keyboards aufbaut, dann immer verdrehter Scheint, aber als Summe aller Läufe kleine Melodienperlen mit sich trägt. Hier schlägt der Freejazz mit rohester Härte zu, auch wenn nicht getrötet wird. Furiose E Gitarren setzen ein und säbeln Dich weg. Dann auf einmal Arpeggioläufe im besten Melodicmetalstil über hackenden Keyboardchembalos, eine gewisse Eingängigkeit beginnt sich breitzumachen, die Melodieführung ist eigenwillig, bricht zusammen und macht wieder spröden, sperrigen Eruptionen Platz. Um das hier zu mögen, braucht man ein dickes Fell, aber nach Coltrane und seiner „Interstellar space“ Geschichte kratzt einen ja nichts mehr. Wieder kommen über wildesten technischen Läufen romantisch anmutende Leadgitarrenmelodien rein, dann klassisch inspirierte Keyboardfanfaren euphorischerer Natur. Die Musik erfüllt inzwischen den gesamten Raum, Deine Seele, einfach alles. „Worshipping Slonimsky in a ravellian mood“ ist nun angesagt, Sanfte E Gitarren, etwas Bass, ein absolut dezenter Keyboardteppich ganz weit fort und eine betörende Melodie, dunkel, warm, voller Liebe und Melancholie. Das eine schließt das andere nicht immer aus. Zu kurz, verdammt, viel zu kurz. Aus dem schönen Traum wird man bei den „Piano improv Take One“ wieder herausgerissen. Obschon hier eher die Rhythmen wild und verdreht sind, die Synthesizersoli aber gut kommen und oft mitreißende Harmonien bringen. Es geht aber auch so, dass Bass, Schlagzeug und Piano sich an klassischen Läufen schädlich halten und gleichzeitig in eine hitzige Diskussion verfallen scheinen. Ein Spacepart löst das ganze ab, dann wieder wilde Leadgitarre vom Gastmusiker über hektischen Abfolgen. Hektisch, das ist für die Rhythmusgruppe ja die richtige Bezeichnung. Dass dann noch jeder Schlag, jede Note an dem vorgesehenen Platz sitzen, zeugt von verdammt großem Können. „Falling down stairs“ lässt schlimmes vermuten. Aber nein, ein schönes klassisches Piano eröffnet mit feurigen Ritten über die Tasten das kurze Werk und wird auch nicht wieder abgelöst. Die Melodie ist hier wiederum dunkel und gewaltig, als zöge eine bedrohliche Sturmfront am Horizont auf. Im ebenfalls kurzen „Despair“ entlädt sich diese Sturmfront dann, Keyboards, Bass und Schlagzeug donnern, blitzen und dreschen zunächst wild drauflos, ordnen sich dann aber und finden einen Weg. Diese Eruption mag alles symbolisieren, nur keine Hoffnungslosigkeit. Auf „Fractured are the nine principals“ lamentiert das Altsaxophon über grummeligem Hintergrund und dezenten Gitarrenmelodien mit jazzig – psychedelischem Ausdruck. Ein sehr spaciges Stück, welches direkten Bezug zu den späten Sechzigern und frühen Siebzigern nimmt. Ich versuche, die Trompete zu entdecken, ich bin mir nicht sicher. Es ist ein ebenso ruhiges, wie auch bedrohliches Werk. Klassisch angehaucht ist dann „Slendro: An improv for Lane“, gut über sechs Minuten lang, wieder mit den abgedrehten Schlagzeugspuren und schwebenden, oft perlenden Tastenangriffen. Der Bass groovt unauffällig dazwischen herum, aber ohne ihn würde das Stück zusammenbrechen. Ja, das Schlagzeug, sehr ungewöhnliches Spiel, Jazz, Frickelmetal ohne Klischees und Orchesterpercussion werden gekonnt vereint. Ich kann dieses Projekt nicht einfach in eine Schublade stecken, hierin ist ebenso viel Jazz und Freejazz, Fusion, Progrock und technoider, aber keinesfalls seelenloser Mathmetal, sowie klassische Musik enthalten, gerne von eher verrückten Komponisten wie Bartok inspiriert, gerne aber auch symphonisch und fanfarenhaft melodisch. Es ist eine Musik für wagemutige Phreaks, die ich eher im Bereich des modernen Kammerrocks, der R.I.O. / Avant Garde Bewegung und am Rande der Progressiverockszene suchen würde. „Reiteration and extemporaneous noodling“ treibt die Scheibe dann weiter. Synthesizer, wilde, rituelle Percussionspielereien auf Tabladrums, ein wenig Bass im Hintergrund, eine orientalisch – mystische, zugleich Atmosphäre entsteht, als blicke man direkt vom Kopf einer Pyramide tief ins All und ließe seine Seele aus dem Körper dorthin reisen. „Preparatory action“ ist der kommende Gitarrenausbruch, begleitet von gleichsam durchdrehenden Keyboards, Drums und Bassläufen. Fast sechs Minuten donnert und blitzt es um uns herum, dass wir ob solch eines wahrhaftigen Trommelfeuers um Gnade winseln möchten, doch die faszinierende Melodik des Stückes hält uns aufrecht im Inferno. Auf einmal, in einer eher spacigeren Passage kommen besänftigende Töne von der Trompete. Miles Davis scheint hier Einfluss gewesen zu sein, denn das Spiel des Trompeters ist nicht so sehr auf ein Notenbombardement aufgebaut, sondern bringt den einzelnen Ton mehr zur Geltung. Die Trompete setzt dann allerdings im hinteren Teil zu einem Solopart an, der es in sich hat. Wie aus einem tiefen Höllenschlund, so quietscht sie zu uns herauf, als hätten Miles und „Trane“ einfach mal die Instrumente getauscht. „Lecture“ an Stelle 16 ist dann im Anfang ein düster avant – gardistisches Durcheinander, ein experimentelles Soundgebilde, welches mich an die Franzosen SHUB NIGGURATH erinnert. Sinister, morbide, wie ein Vordringen in das Innerste einer denkenden Maschine, dabei immer auf akustischen Instrumenten gespielt. Hier scheinen die drei Hauptprotagonisten vollends den Verstand eingebüsst zu haben und präsentieren doch eines der absoluten Highlights auf dem Album. Gerade das Pianospiel ist beeindruckend. Ein wenig hat das auch was von den Experimenten der alten PINK FLOYD, aber nur rudimentär, denn die Briten waren doch auch 1967 im LSD Rausch zahmer. Ein unbetitelter fünfminütiger Track beschließt das Album dann. Eine Art Jam scheint es zu sein, in dem man immer wieder Passagen aus vorherigen Nummern zu erkennen scheint. Die Musiker lassen diesen Trip noch einmal Revue passieren. Das Stück ist hypnotisch und sehr schräg in manchen Teilen, aber angenehm schräg, angenehm laut und angenehm anders. Hier spielt der Fiedler eine Rolle, entfesselt, ungebremst, wie besessen musiziert er spacig über einer rückwärts laufenden Klangschleife. Ich kann diese CD allen Leuten empfehlen, die auf Ron Jarzombeks Soloeskapaden stehen, die sich von SHUB NIGGURATH und UNIVERS ZERO bestens bedient fühlen und denen eine erst krude anmutende, aber sehr packende Mischung aus Miles Davis, John Coltrane, MESHUGGAH ohne Gitarrenattacken und Gebrüll, sowie oben genannten Avant Garde Acts angenehm am Verstand sägt.
Sir Lord Doom

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CD

Zusätzliche Informationen

Gewicht 0,150 kg
Marke

0, 1

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